Eine Achterbahn der Gefühle erlebten 275 Zuschauer am Sonntag abend beim Top-Derby der Regionalliga Südwest, bei dem die Eisbären Heilbronn gegen den Tabellenführer Stuttgart Rebels mit 5:4 (4:0, 0:2, 0:2 – 1:0) nach Penaltyschießen gewannen. Erst schien das Heimteam den Favoriten an die Wand spielen zu wollen, als man nach 20 Minuten schon mit 4:0 führte. Dann schwächte man sich durch größtenteils unnötige Strafen selbst und ermöglichte eine Stuttgarter Aufholjagd zum 4:4, ehe am Ende dann doch noch ein glücklicher Sieg im Penaltyschießen verbucht werden konnte.
Kai Sellers überraschte vor dem Spiel mit der Aufstellung von Torhüter Markus Nachtmann, der trotz weniger Spielpraxis – er hatte in dieser Saison erst einmal gespielt – in diesem wichtigen Top-Derby von Anfang an ran durfte. Schon bald zeigte sich, dass der Eisbären-Coach mit dieser Maßnahme exakt den richtigen Riecher hatte. Von Beginn an stand Nachtmann im Mittelpunkt der Begegnung, denn die Rebels machten von der ersten Sekunde an klar, dass sie der Herr im Ring sein wollten.
Bereits nach 20 Sekunden klatschte ein Schuss von Neil Witthöft an den Pfosten des Eisbären-Tores. Drei Minuten später schien Nachtmann bereits geschlagen und Steffen Bischoff musste die Scheibe nur noch ins leere Tor “lupfen”. Doch irgendwie brachte der am Boden liegende Goalie aus dem Nichts den Handschuh nach oben und stoppte den Puck auf dem Weg ins Tor. Auch in der 6. Minute rettete Nachtmann mit einer Großtat – diesmal mit einem Save gegen Marco Ludwig.
Erst langsam kamen die Eisbären ins Spiel und tasteten sich von Szene zu Szene weiter an das Gehäuse der Rebels ran. In der 10. Minute bediente Mischa Zeller den halblinks lauernden Benjamin Brozicek, der trocken abzog und Stuttgarts Keeper Dusan Strharsky zum 1:0 überwand. Die Eisbären hatten inzwischen festgestellt, dass auch ein Tabellenführer nur mit Wasser kocht und dass man in diesem Spiel durchaus eine Chance haben könnte. Dies bestätigte sich spätestens in der 16. Minute, als Oliver Hackert einen Pass von Michael Filobok direkt zum 2:0 verwandelte. Gegen Ende des ersten Drittels, als von jeder Seite zwei Cracks auf der Strafbank saßen, schienen die Rebels undbedingt noch vor der Pause den Anschlusstreffer erzwingen zu wollen. Doch dann leistete sich Alexander Schmidt an der eigenen blauen Linie einen folgenschweren Lapsus, als er die Scheibe an Oliver Hackert verlor, der nun allein vor Strharksy stand, diesen verlud und zum viel umjubelten 3:0 einschoss. Das folgende Bully im Mittelkreis gewannen die Gäste, der Rückpass kam zu Schmidt, der exakt an derselben Stelle wie schon Sekunden zuvor die Scheibe erneut vertändelte – diesmal an Sascha Bernhardt. Auch dieser nutzte die Chance und schloss exakt 10 Sekunden nach Hackert’s Treffer zum 4:0 ab.
Alexander Schmid hätte nach diesen beiden Schnitzern zur tragischen Figur dieser Begegnung werden können, hätte ihn Rebels-Coach Pavol Jancovic nicht von der Abwehr in den Angriff versetzt. So aber konnte Schmidt noch zum Hattrick-Torschützen werden, der den Gästen am Ende fast noch den Sieg gesichert hätte.
Die Rebels, die im ersten Drittel noch acht plus zehn Strafminuten gesammelt hatten, kamen sehr diszipliniert wieder aus der Kabine und kassierten in den verbliebenen 40 Minuten nur noch eine einzige Strafzeit. Ganz anders sah es bei den Eisbären aus, die sich – wieder einmal – durch unnötige Strafzeiten um den Lohn der Arbeit der ersten 20 Minuten brachten. In der 29. Minute verkürzte Alexander Schmidt bei fünf gegen drei Überzahl zum 4:1. Nicht mal eine Minute später stand es bereits 4:2, als abermals Schmidt in Überzahl traf. Mit diesem Doppelschlag wurde der bisherige Spielverlauf komplett auf den Kopf gestellt. Zwar traf Jozef Jambor in der 31. Minute die Querlatte, doch dann spielten nur noch die Gäste. Die Eisbären kamen kaum mehr aus dem eigenen Drittel heraus und konnten sich bei Markus Nachtmann dafür bedanken, dass sie sich mit einer 4:2-Führung in die zweite Pause verziehen durften.
Das Schlussdrittel war dann gerade 26 Sekunden alt, als abermals Alexander Schmidt in Überzahl den Anschlusstreffer zum 4:3 markierte. Bis zur 50. Minute konnten die Eisbären den Vorsprung noch verteidigen, doach dann kam das, was kommen musste: Ex-Eisbär Artur Votler glich zum hoch verdienten 4:4 aus. Die Gastgeber konnten sich nun kaum mehr aus dem eigenen Drittel befreien, sie schafften es aber bis in die Schlussphase mit einem außerordentlichen Kampfgeist, einem starken Torhüter und viel Glück keinen Gegentreffer mehr einzufangen.
Dann, als alle schon mit der Schlusssirene und dem fälligen Penaltyschießen gerechnet hatten, stockte allen Beteiligten vier Sekunden vor dem Ende der Atem. Markus Nachtmann verschob in Bedrängnis sein Tor und Schiedsrichter Ninkov entschied auf Penalty für Stuttgart! Sollte den Eisbären vier Sekunden vor Schluss durch diese Aktion auch noch der eine hart erkämpfte Punkt entrissen werden? Nein, sollte er nicht, denn Nachtmann hielt den von Artur Votler ausgeführten Strafschuss und die Eisbären brachten das 4:4 über die Runden.
Im nun folgenden Penaltyschießen hatte Markus Nachtmann durch den kurz zuvor parierten Penaltyschuss gegenüber Stuttgarts Keeper Strharsky Oberwasser, was auch gleich der erste Schütze Steffen Bischoff erfahren musste, der mit seinem Versuch an Nachtmann scheiterte. Auf der anderen Seite netzte Sascha Bernhardt überlegt mit der Rückhand ein. Nun folgte das Duell der beiden prägenden Figuren dieses Spiels, als Alexander Schmidt gegen Nachtmann antrat. Wieder fuhr der Goalie im richtigen Moment die Kelle aus, so dass auch der zweite Stuttgarter Penalty nicht sein Ziel fand. Als ob die Szenen, die sich 60 Minuten lang auf dem Eis abspielten, nicht schon dramatisch genug gewesen wären, setzten die Regisseure des Abends der Dramaturgie noch eines oben drauf. Denn es blieb nun ausgerechnet dem letztjährigen Stuttgarter Topscorer und Neuzugang der Eisbären, Jozef Jambor, vorbehalten, den entscheidenden Penalty auszuführen. Der Slowake lief entschlossen an, verlud seinen Landsmann Strharsky und traf zum viel umjubelten 5:4-Sieg der Eisbären.
Beide Trainer waren sich nach der Begegnung einig, dass ein solcher Spielverlauf für die Zuschauer zwar alles bietet, was die Sportart Eishockey so attraktiv macht, dass ein solches Spiel mit zahlreichen individuellen Fehlern und Strafzeiten für einen Trainer aber der Horror ist. “Wir hätten uns mit den Strafen im zweiten und dritten Drittel fast alles wieder kaputt gemacht und haben sehr glücklich zwei Punkte geholt”, sagte Eisbären-Coach Kai Sellers.
Tore:
1:0 (10.) Brozicek (Zeller)
2:0 (16.) Hackert (Filobok)
3:0 (20.) Hackert (Filobok)
4:0 (20.) Bernhardt
4:1 (29.) Schmidt (Tilgner/Duhamel) – 5:3
4:2 (30.) Schmidt (Votler/Duhamel) – 5:4
4:3 (41.) Schmidt (Duhamel) -5:4
4:4 (50.) Votler (Duhamel/Tilgner)
5:4 (60.) Jambor
Strafen:
Heilbronn 28 Minuten + 10 Minuten Disziplinarstrafe für Kollmar
Stuttgart 10 Minuten + 10 Minuten Disziplinarstrafe für Ludwig