In den letzten Wochen haben wir, als Vorbereitung auf unser Benefizspiel am 5. Februar um 18 Uhr, mehr über unseren Showact Lorenz Büffel und die Spendenaufrufe unserer Aktionspaten aus dem Spitzensport geschrieben und gepostet als über diejenigen, um die es bei der Spendenaktion tatsächlich geht: Marisa, Jörg, Finlay und Kaio Ziegler, für die sich an jenem Sommertag im Jahr 2019 durch Kaios Ertrinkungsunfall im Nordheimer Freibad alles – aber auch wirklich ALLES – verändert hat.
Wir haben ein sehr persönliches und tiefgehendes Gespräch mit Marisa Ziegler geführt, die sich seit mittlerweile rund dreieinhalb Jahren intensiv um ihren im Wachkoma liegenden Sohn kümmert. In ihrem Instagram-Blog @unserlangerwegzurück berichtet sie täglich über die Kämpfe, die sie mit diversen Einrichtungen zu führen hat, aber auch über die schönen Stunden mit dem inzwischen siebenjährigen Kaio. „Das ist für mich persönlich eine Art Therapie, die mir guttut“, sagt sie über den Blog.
Während Marisa die Familie Ziegler nach außen vertritt, hält sich Kaios Vater Jörg dezent im Hintergrund. „Jörg ist den ganzen Tag bei der Arbeit und hält unsere Familie damit am Leben. Wenn er zuhause ist, kümmert er sich hauptsächlich um unseren großen Sohn Finlay, der durch die Situation leider oft in den Hintergrund rückt. Er ist ja auch erst zehn Jahre alt und hat quasi von einem Moment auf den anderen seinen Spielkameraden und besten Kumpel verloren“, berichtet Marisa Ziegler.
Dass Kaio heute noch da ist und regelmäßig kleine Fortschritte macht, grenzt tatsächlich an ein Wunder. „Die Zeit direkt nach dem Unfall war schrecklich“, erinnert sich Marisa. „Kaio wurde ins künstliche Koma versetzt, und die Ärzte waren sich sicher, dass er nicht überleben würde. Das konnte und wollte ich nicht akzeptieren. Die Ethik-Kommission des Krankenhauses war übereingekommen, dass nichts mehr zu machen sei, und hat ihn zum Sterben ins Hospiz entlassen. Dort ging es ihm dann Tag für Tag besser. Natürlich gab es auch Rückschläge, aber sein Zustand wurde so stabil, dass wir beschlossen haben, ihn mit nach Hause zu nehmen und ihn hier zu pflegen.“
Dreieinhalb Jahre ist dies inzwischen her. Das Haus der Zieglers gleicht einer Pflegeeinrichtung – daran hat sich die Familie schon lange gewöhnt. Doch nun wiegt Kaio 35 Kilogramm und es wird für seine Mutter immer schwieriger, ihn morgens von seinem Kinderzimmer im ersten Stock nach unten und abends wieder nach oben zu tragen – deshalb die Pläne für den Anbau, bei dessen Finanzierung die HEC Eisbären mit der Spendenaktion unterstützen wollen.
Dass Kaio den ganzen Tag nur in seinem Zimmer liegt und dort gepflegt wird, war für Familie Ziegler nie eine Option. Im Gegenteil, wie Marisa Ziegler weiß: „Uns ist es wichtig, dass er ganz normal in unser Familienleben integriert ist und mit anderen Menschen zusammenkommt. Deshalb besucht er auch bis zu drei Tage pro Woche in Nordheim die Grundschule!“
Wie bitte, wie passt das denn zusammen? Ein Wachkoma-Kind, das von seiner Umgebung nichts mitbekommt, geht zur Schule? Und dann auch noch in eine normale Grundschule, statt in eine Förderschule? „Mit dieser Frage steht ihr nicht allein da“, grinst die gelernte Erzieherin. „Mich hatten tatsächlich alle für verrückt erklärt, als ich ihn für die Grundschule angemeldet habe. Es war auch ein langer und harter Kampf und ich musste den Leuten entsprechend auf die Nerven gehen, ehe die Anmeldung am Ende dann doch noch akzeptiert wurde.“
Kaio habe bis zu seinem Unfall ganz normal den Kindergarten besucht und sei ständig mit Gleichaltrigen zusammen gewesen. Man wisse letztendlich nicht, welche äußeren Einflüsse tatsächlich bei ihm ankommen. „Aber wir merken, wie ihm der Kontakt mit anderen Kindern guttut. Zuhause sieht man ihm an, dass er ohne viele Reize in seinem Umfeld gelangweilt ist. In der Schule dagegen hat sein Gesicht eine ganz andere Mimik und er lautiert. Er besucht zusammen mit einer Pflegekraft den Unterricht und sitzt dort in seinem Therapiestuhl. Sie führt ihm die Hand beim Schreibenlernen, zeigt ihm die Bilder zu den Texten, die die anderen Kinder lesen, und übernimmt seinen Part im Erzählkreis. Die anderen Kinder gehen super mit ihm um, und er wird vor allem von den Mädchen betüdelt.“
Die paar Stunden, in denen Kaio die Schule besucht, sind für Marisa Ziegler die einzige Zeit am Tag, in der sie Besorgungen machen, ihren Instagram-Blog aktualisieren und eine kleine Auszeit für sich selbst nehmen kann.
Ansonsten beginnt ihr Alltag um 6.15 Uhr, wenn der Pflegedienst, der meist über Nacht bei Kaio ist, seine Schicht beendet. Inhalieren, Kompressen erneuern, Sekret absaugen, Zähne putzen, waschen, anziehen – rund eine Stunde dauert es, bis sie ihn nach unten tragen und in seinen Therapiestuhl setzen kann. „Dann mache ich ihm sein Frühstück. Ich mache ihm Müsli oder ein Brot, das ich dann püriere und ihm über eine Sonde direkt in den Bauch spritze.“
Ansonsten besteht der Tag aus verschiedenen Bewegungsübungen, die sie mit ihrem Sohn durchführt, um beispielsweise gegen die Spastiken im Fuß anzukämpfen. Dazwischen gibt sie ihm zu Trinken, saugt Sekret ab, kontrolliert seine Werte, macht Inkontinenzversorgung, führt zahlreiche Telefonate mit Krankenkasse, Ärzten, Apotheke, Sanitätshaus etc. und fährt Kaio zu seinen Therapien. Am späteren Nachmittag gehen die beiden zusammen spazieren, ehe sie ihn abends bettfertig macht und ihn schlafen legt.
„Das ist ungefähr der Tagesablauf, wenn alles normal ist“, sagt sie. Aber wehe, es geschehen unvorhergesehene Dinge – wie zum Beispiel kurz vor Weihnachten, als Kaio mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus musste oder wenn der Pflegedienst ausfällt. „Dann müssen wir improvisieren und Termine absagen. Jörgs Arbeitgeber, die Deutsche Post, hat hier gottseidank viel Verständnis, so dass er im Notfall alles stehen und liegen lassen und nach Hause kommen kann. Finlay ist ja auch noch da und braucht jemanden, der für ihn da ist.“
Besteht eigentlich eine Chance, dass Kaio wieder aufwacht und ein halbwegs normales Leben führen kann, fragen wir. „Das ist eine ganz schwierige Frage. Dazu ist das Thema Wachkoma nicht genügend erforscht, um eine Prognose wagen zu können. Manche Patienten kommen nach 3 Monaten zurück, manche nach 30 Jahren und andere gar nicht. Wir merken aber, wie er minimale Fortschritte macht. Er lautiert, wenn er etwas gut findet und zieht die Lippe angewidert nach oben, wenn ihm etwas gar nicht passt. Das sind natürlich minimale Dinge, die nur uns als Eltern auffallen. Deshalb freut es mich umso mehr, wenn mir dann eine Therapeutin erzählt, wie er den Kopf herumgedreht hat, als sie das Lied Johnny Däpp von Lorenz Büffel angemacht hat. Dass das auch Außenstehende sehen, beweist, dass wir uns das nicht nur einbilden. Deshalb werden wir für Kaio auch immer weiterkämpfen. Denn hätte ich damals, direkt nach dem Unfall und dann im Hospiz, nicht so gekämpft, wären wir heute nicht dort, wo wir jetzt sind. Und solange für ihn auch nur eine minimale Chance besteht, werden wir diesen Kampf weiterführen.“
Liebe Marisa, lieber Jörg, lieber Finlay und lieber Kaio, wir hoffen, dass wir mit der Eisbären-Community durch unsere Spendenaktion einen möglichst großen Beitrag dazu leisten können, dass ihr euer Leben durch den barrierefreien Anbau eures Hauses etwas angenehmer gestalten könnt. Wir drücken euch alle verfügbaren Daumen, dass es mit Kaio weiter bergauf geht.
Hier nochmal das Spendenkonto beim Förderverein Hope for Children:
DE67 6206 2643 0021 2340 00
Verwendungszweck #spendenfürkaio